Schulunterricht im Kino: Flucht und Ursachen
Fachbereich Politik der Martin-Behaim-Schule und DRK Darmstadt kooperieren für realitätsnahe Lerninhalte
Rund 200 Schülerinnen und Schüler der Martin-Behaim-Schule (MBS) drängten sich am Donnerstagmorgen kurz vor 9 Uhr vorm Darmstädter Pali-Kino. Einige deckten sich für ein echtes Kino-Feeling mit Popcorn oder Nachos ein. Dabei war der Film, den sich die jungen Leute im Anschluss anschauten alles andere als leichte Kost: Markus Imhoof widmet sich in seinem bereits mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm „Eldorado“ dem Themenkreis Flucht und Fluchtursachen. Fragen und Inhalte, die sich für die pädagogische Arbeit eignen – und das genau hat die MBS im ersten Schulhalbjahr 2018/2019 aufgegriffen. Die aktuelle Flüchtlingsbewegung war unter anderem im Deutsch- und Englischunterricht Schwerpunktthema. „Eldorado“ sollte nun den schulischen Unterricht realitätsnah ergänzen. Wir freuen uns sehr, dass das DRK Darmstadt diese Veranstaltung angeregt hat“, sagte Studiendirektorin und Mitglied der erweiterten Schulleitung der MBS Elisabeth Christ zur Begrüßung. Das DRK Darmstadt, das auch im Rahmen des Schulsanitätsdienstes mit der MBS kooperiert, hatte diesen Vorschlag unterbreitet, um im Anschluss an den Film einen Einblick in die Hilfe sowie die Integrationsarbeit vor Ort zu geben.
Humanitäre Hilfe endet nicht nach Seenotrettung
Ein Teil von Imhoofs Bildern entstand 2014 während der Operation „Mare Nostrum“, als die italienische Marine und die Küstenwache zur Seenotrettung meist afrikanische Flüchtlinge aus dem Mittelmeer vor dem Ertrinken retteten. Auch Helferinnen und Helfer des Italienischen Roten Kreuzes waren beteiligt. Mit der Seenotrettung ist die humanitäre Hilfe von Wohlfahrtsorganisationen und des Katastrophenschutzes nicht beendet. Um das zu verdeutlichen blickte Tim Wittwer, Geschäftsführer des DRK Darmstadt und Rotkreuzbeauftragter des Kreisverbands, noch einmal in das Jahr 2015 als in binnen kürzester Zeit über 1.000 Flüchtlinge untergebracht, betreut und versorgt werden mussten. „Wir sind stolz darauf, dass wir gemeinsam mit der Feuerwehr und anderen Katastrophenschutzorganisationen in kürzester Zeit Notunterkünfte in Betrieb genommen haben, um den Menschen zu helfen. Es war auch für unsere Gesellschaft hoffnungsvoll zu sehen, wie viel Hilfsbereitschaft aus der Darmstädter Bürgerschaft kam“, lobte Tim Wittwer und ermunterte die jungen Menschen, sich ebenfalls zu engagieren. „Bei Wohlfahrtsverbänden oder anderen Hilfsorganisationen. Natürlich freuen wir uns, wenn wir Sie auch bei uns willkommen heißen dürfen.“
Buket Dagdelen, Koordinatorin für die Familienbildungsprogramme HIPPY und Willkommen mit Impuls beim DRK Darmstadt, informierte unter anderem über ihre Arbeit mit Flüchtlingsfamilien. „Willkommen mit Impuls vermittelt Erziehungskompetenzen und – das ist sehr wichtig – hilft geflüchtete Familien bei der Integration in unsere Gesellschaft.“
Schüler beeindruckt von Bildern auf See
Leila Gündling und Nico Mrozek machen das Fachabitur in Gesundheit und engagieren sich beide darüber hinaus im Schulsanitätsdienst der MBS. Sie waren vor allem von den Bildern auf See beeindruckt: „Es war schon krass zu sehen, wie viele Menschen auf einem viel zu kleinem Boot versuchen, das Meer zu überqueren“, sagte der Achtzehnjährige. Eindrucksvoll war für ihn auch, dass die geflüchteten Menschen auf dem Rettungsschiff auf dem Boden schlafen mussten. Die siebzehnjährige Leila Gündling fand die filmische Umsetzung sehr interessant: „Einerseits die persönliche Geschichte von dem Mädchen Giovanna und dann die Sprünge in die heutige Realität der Flüchtlinge.“ Giovanna war ein Mädchen, das Imhoofs Familie nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem zerbombten Mailand zur Erholung bei sich in der Schweiz aufgenommen hatte. Sie durfte – wie viele Flüchtlinge heute in Europa – nicht bleiben und starb bereits 1949 an den gesundheitlichen Folgen der Entbehrungen, die der Krieg brachte.
Der neunzehnjährige Younes Maazouz sieht die Dringlichkeit, dass für die vielen Probleme Lösungen gefunden werden müssen: „Hier in dem Film haben die Flüchtlinge vor allem eine Chance, in Italien bleiben zu dürfen. Viele wollen aber weiter in ein anderes Land. Dann wollen die Flüchtlinge arbeiten, dürfen es aber nicht. Das alles ist sehr problematisch.“ „Menschen gehen freiwillig und voller Hoffnung in ihre Heimat zurück, um dort eine eigene Existenz aufzubauen. Die Grundlage dafür wird aber direkt durch wirtschaftliche Entwicklungen dort zerstört. Das ist schlimm“, ergänzt Leila Gündling.
Anregen, Dinge zu hinterfragen
„Wir haben in unserem Unterricht zum Thema ‚Flüchtlinge‘ gemeinsam mit den Schülern angeschaut, wer flüchtet und warum“, schildert Dyrk Gellner. Er ist Koordinator des Fachbereichs Politik an der MBS und lehrt die Fächer Wirtschaft und Verwaltung. „Immer wieder wird sichtbar, dass unser Verhalten hier in Europa die Fluchtursachen begründet. Indem wir das Thema pädagogisch aufarbeiten, wollen wir den jungen Menschen Hilfsmittel an die Hand geben, Dinge zu hinterfragen und zu schauen, ob es nicht bessere Lösungen gibt.“
Zum Schluss der Veranstaltung konnten sich die Schülerinnen und Schüler an den Ständen des DRK Darmstadt und Volunta sowie bei zwei Vertretern der Bergwacht Darmstadt-Dieburg über die Arbeit des Roten Kreuzes und über mögliche Freiwilligendienste informieren.
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