„Ich habe viel erhalten – also kann ich etwas zurückgeben“
Ayoub Alhousin über seine Flucht und sein soziales Engagement beim DRK Darmstadt

„Jeder sollte einen zwischenmenschlichen Beitrag leisten. Dann kann die Gesellschaft besser werden.“ Mit diesen beiden Sätzen bringt Ayoub Alhousin seine Einstellung und Motivation auf den Punkt, sich sozial zu engagieren. Der 28-Jährige lebt seit 2015 in Deutschland und seit Mai 2016 in Darmstadt. Hier engagiert er sich unter anderem an der Technischen Universität (TU), übersetzt für geflüchtete Familien an Ämtern und Schulen und hilft jungen Menschen im Zuge des Projekts „Zusammen stark!“, das beim DRK Darmstadt koordiniert wird – alles ehrenamtlich. Bedürftigen Menschen hilft er seit langem: bereits seit Beginn des Krieges in seiner ursprünglichen Heimat in Syrien.
Flucht nach Deutschland
Ayoub Alhousin kommt aus der Stadt Hama. Sie liegt zwischen Aleppo im Norden und Damaskus im Süden. Dort lebten rund 600.000 Menschen. Als die ersten Unruhen anfingen, floh die Bevölkerung aus der ländlichen Region in die Großstadt. Die Schutzsuchenden mussten untergebracht und versorgt werden. Ayoub Alhousin zählte zu den Helfern, die vor allem lebensnotwendiges, frisches Wasser verteilten. Und dann, 2011, erreichte der Krieg auch Hama selbst. „Der Krieg hat uns nicht vorgewarnt. Wir hatten die Wahl, entweder zu kämpfen und zu sterben oder zu fliehen.“ Ayoub Alhousin entschied sich für das Leben und flüchtete. Zunächst in die Türkei, in der noch ein Teil seiner Familie lebt – und dann weiter mit zwei Freunden zu Fuß über die Balkanroute nach Deutschland. „Wir haben auf der Flucht viel erlebt und auch bezahlt“, sagt er mit festem Blick, der zugleich erahnen lässt, dass er auf seinem Weg auch menschliche Abgründe kennengelernt hat.
Neustart in Darmstadt
Die erste Zeit in Deutschland war ebenfalls unruhig. Sein erster Aufenthaltsort, eine Erstaufnahmeeinrichtung im Saarland, war so überfüllt, dass er auf der Straße schlafen musste. Kurz darauf musste er nach Trier wechseln und dann nach Eisenberg in der Pfalz. Von hier aus nahm er seinen Neustart in Deutschland in die Hand. Er lernte Deutsch und nutzte jede Gelegenheit, sich mit der Sprache vertraut zu machen. „Neben Youtube-Deutsch-Kursen habe ich regelmäßig das ‚Sprachencafé‘ in Eisenberg besucht.“ Sobald sein Asylantrag bewilligt war, wechselte er nach Darmstadt und fokussierte die Fortführung seines Studiums: „Da die TU Darmstadt im Fachbereich Bauingenieurswesen zu den besten Universitäten in Deutschland zählt, war es mein Ziel hier zu studieren.“
In Syrien hat Ayoub Alhousin sein Studium Bauingenieurswesen bereits mit einem Bachelor abgeschlossen. Auch wenn das Bildungssystem in Syrien sehr gut ist, konnte der Abschluss nicht ohne weiteres anerkannt werden. „Die rechtlichen Grundlagen beispielsweise sind nicht identisch.“ Also musste er Teile seines Studiums wiederholen, wobei sich die Auseinandersetzung mit der Fachsprache als ziemlich anspruchsvoll erwiesen hat. Doch mit dem Ziel zu promovieren, konnte Ayoub Alhousin 2017/2018 in den Masterstudiengang einsteigen, den er im Sommer dieses Jahres voraussichtlich abschließen wird. Seine beiden Freunde, die mit ihm nach Deutschland flohen, haben übrigens ebenfalls in Darmstadt Fuß gefasst: „Einer studiert gemeinsam mit mir. Der andere setzt sein Informatikstudium fort.“
Engagiert bei „Zusammen stark!“
Mit dem DRK Darmstadt kam Ayoub Alhousin im Zuge bürokratischer Fragen in Kontakt. Er nahm damals die Migrationsberatung in Anspruch, die das DRK im Rahmen seiner Sozialarbeit anbietet. Im Gespräch wurde er auf „Zusammen stark!“ aufmerksam. Das Projekt unterstützt geflüchtete Frauen und besonders schutzbedürftige Personen, darunter minderjährige Menschen. „Gerade junge Menschen, die ihre Familie zurücklassen mussten und ohne Begleitung nach Deutschland kamen, brauchen Orientierung“, sagt Ayoub Alhousin.
Seit etwa einem Jahr unterstützt Ayoub Alhousin als Mentor einen jungen Mann aus Äthiopien, der in Darmstadt in Vollzeit arbeitet. „Anfänglich haben wir uns wöchentlich für rund zwei Stunden gesehen. Wir haben viel Deutsch geübt. Ich habe ihn motiviert, mehr zu sprechen, auch wenn es noch nicht so perfekt ist. Außerdem habe ich ihm den Umgang mit einem Computer beigebracht. Mittlerweile tauschen wir uns oft auch einfach kurz per Chat aus.“
Für sein vielseitiges Engagement und seine hervorragenden Leistungen wurde Ayoub Alhousin im November 2019 vom Deutschen Akademischen Austauschdienst ausgezeichnet. Auch das Deutsche Rote Kreuz ist sehr dankbar für seine vorbildliche, ehrenamtliche Mitarbeit. „Am Anfang habe ich viel Unterstützung erhalten – also kann ich etwas zurückgeben“, sagt er überzeugt.
Über „Zusammen stark!“
Das Projekt „Zusammen stark!“ wird seit 2016 durch den DRK-Kreisverband Darmstadt-Stadt e. V. durchgeführt. Es wird gefördert durch die Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration. Bis Ende September 2018 war „Zusammen stark!“ organisatorisch an die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge am Standort Darmstadt Starkenburg angegliedert. Seitdem ist das Projekt an die Sozialarbeit des Kreisverbands angeschlossen. Diese erlaubt es, vor allem die Tätigkeiten für geflüchtete Menschen in der kommunalen Zuweisung zu verstärken.