Rückblick auf eine Heldinnentat – Erste Hilfe im Ernstfall
Schulsanitäterin der Martin-Behaim-Schule rettet Motorradfahrer im Odenwald
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Den 9. Sept. 2018 wird Arne nicht vergessen, denn an diesem Datum, einen Tag nach dem Welt-Erste-Hilfe-Tag 2018 wurde er nach einem schweren Motorradunfall im Odenwald von einer guten Freundin durch sachgemäße Sofortmaßnahmen gerettet und vor schwersten gesundheitlichen Folgen bewahrt. Die Freundin, die sein Genick stabilisierte, heißt Stefanie Schlink (24 J.). Die Kenntnisse aus ihrem Erste-Hilfe-Kurs befähigten sie zum Helfen. Sie macht im 3. Lehrjahr eine Ausbildung zur Kauffrau für Versicherungen und Finanzen in Bensheim und besucht die Martin-Behaim-Schule (MBS) in Darmstadt an zwei Tagen in der Woche. Sie setzt sich hier nicht nur ehrenamtlich beim Schulsanitätsdienst ein, sondern ist auch die Schulsprecherin dieser „Selbstständigen beruflichen Schule“.
Bei einem Gespräch an der MBS erzählt Stefanie den Hergang: Drei Freunde waren mit ihren Motorrädern auf großer Tour im Odenwald unterwegs, auf einem saß sie selbst als Beifahrerin bei einem der Freunde, Erik. Auf der „anspruchsvollen Strecke“ an der Passhöhe „Schöne Aussicht“ bei Lindenfels-Kolmbach war Arne ein Stück vorgefahren. Als die anderen um die Kurve kamen, sahen sie das Motorrad in Einzelteilen und ihn am Straßenrand im Graben liegen.
Der allererste Helfer ist der wichtigste
„Ich war froh, dass ich nicht alleine war. Erik war für mich mein persönlicher Held“, erzählt Stefanie. Nach dem ersten Schock – sie dachte nur „nein, nein, nein“, und dass Arne tot sei – sagte Erik zu ihr: „Steig ab!“ Ab dann „war alles abrufbar“ und sie tat, was sie im Erste-Hilfe-Kurs gelernt hatte. Während Erik mit dem Handy den Notruf absetzte, stellte Stefanie fest, dass sich Arne bewegte und ansprechbar war, allerdings stand er unter Schock und wusste nicht, was passiert ist. Das Gesicht war geschwollen und blutunterlaufen, das Helmvisier war abgegangen. Aus dem Mund lief Blut, zum Glück nur von einer Zungen- oder Wangenverletzung, wie sich später herausstellte. Der Schock verursachte einen Würgereiz und Arne wollte sich wegen Übelkeit den Helm abziehen. Steffi hat „sofort eingegriffen“ und sein Genick gestützt und kniete hinter ihm – und zwar dauerhaft, bis weitere Hilfe kam.
Ein Autofahrer hielt an und zog Stefanie, die ja die Hände nicht frei hatte, an diesem heißen Tag den Helm aus. Viele andere Motorradfahrer hielten an und fragten, was sie tun können. Hier gab es also keine „Gaffer“, sondern nur Hilfsbereite. „Der allererste Helfer ist der wichtigste, dann kommen andere leichter hinzu“, weiß Lars Wunder (48), Dipl.-Handelslehrer im Bereich Wirtschaft und Verwaltung der MBS und dort „Beauftragter für Sicherheit und Schulsanitätsdienst“. In seiner Freizeit ist er ehrenamtlich beim DRK Darmstadt engagiert als Sanitäter und Kreiskonventionsbeauftragter.
„Schweineglück“
Stefanie musste den Kopf noch eine Zeit lang halten, obwohl ihr linkes Bein eingeschlafen war und krampfte, sie weiß nicht genau, wie lange. Rettungswagen und Feuerwehr waren schnell da, in ca. 10 Min., aber die DRK-Einsatzkräfte konnten ihr nicht sofort den Verletzten abnehmen. Er erhielt eine Halskrause (die er heute immer noch tragen muss) und wurde per Hubschrauber nach Ludwigshafen transportiert. Die erste Diagnose lautete Gehirnerschütterung, tatsächlich aber hatte Arne zwei gebrochene Brustwirbel und zwei durchgebrochene Halswirbel. Nicht auszudenken, was vielleicht wäre, wenn Stefanie nicht eingegriffen hätte, nachdem die Gefährdung erkannt war, „halt so wie man’s im Erste-Hilfe-Kurs gelernt hat“, meint sie. Und weiter: „So schließt sich der Kreis“. Arne hat noch eine OP vor sich, aber die Geschichte scheint hoffentlich ein gutes Ende zu nehmen. „Er hat ein Schweineglück gehabt.“
Gelebte Menschlichkeit
Lars Wunder findet es „beachtlich und vorbildlich, was Steffi geleistet hat. Der junge Mann war von gravierenden gesundheitlichen Folgen bedroht“. Es sei wichtig, dass so etwas erzählt wird: „Das ist gelebte Menschlichkeit!“ Für Stefanie ist wichtig, dass sie nicht nur einem eigenen Freund geholfen hätte „sondern auch jedem anderen‘“.
Schulsanitätsdienst
Erste-Hilfe-Kurs und Schulsanitätsdienst waren die fachliche Grundlage für ihren Einsatz. Der aktuelle Schulsanitätsdienst (SSD) an der Martin-Behaim-Schule wurde im Februar 2017 neu organisiert. Stefanie Schlink wurde durch Lars Wunder zur Teilnahme motiviert, mit drei weiteren Schülerinnen und Schülern aus ihrer Klasse. Sie sagt: „Das wurde recht fix eine interessante Sache.“ Insgesamt sind zurzeit elf junge Frauen und Männer im Einsatz, die meisten knapp über 18 Jahre alt, an der Schule in Voll- oder in Teilzeit. Drei weitere künftige Mitwirkende müssen noch den Erste-Hilfe-Kurs machen. Der Nachweis darf nicht älter als zwei Jahre sein. Stefanie hatte schon zuvor auf eigene Kosten aus terminlichen Gründen den Kurs bei einem anderen Anbieter gemacht. Die Kurse sind für SSD-Mitglieder aber kostenlos, das DRK Darmstadt bietet sie auch speziell für Teilnehmer der Sanitätsdienste aus den Schulen an. Koordinatorin für diesen Bereich ist Cornelia Hartmann.
Lars Wunder legt großen Wert auf Zuverlässigkeit und eine gute Qualifizierung der Freiwilligen beim SSD. Zu den Mindestvoraussetzungen zählen natürlich auch ungefährdete schulische Leistungen. Zum Leitungsteam des SSD zählen außer ihm auch zwei Ärztinnen aus dem Fachbereich Gesundheit der MBS sowie ein Sportlehrer. Dies sei ein guter Rückhalt für den Schulsanitätsdienst, so Wunder, ebenso wie die hervorragende Förderung und Unterstützung durch Schulleiterin Stephanie Jacobi.
Der Schulsanitätsdienst der MBS deckt die Unterrichtskernzeit Montag bis Freitag von der ersten bis sechsten Stunde ab, erklärt Wunder. An jedem Tag haben mindestens zwei Schüler Bereitschaftsdienst und holen sich morgens im Sekretariat Mobiltelefone ab, mit denen sie im Notfall erreichbar sind. Ebenso übernehmen sie eine Erste-Hilfe-Tasche, den „Erste-Hilfe-Kasten to Go“, scherzt Stefanie. Bei Feueralarm gehen sie mit SSD-Westen, die sie erkennbar machen, in den Einsatz. In einem Sanitätsraum werden Patienten versorgt und betreut. Hier wird auch noch zusätzliches Sanitätsmaterial gelagert.
„Wenn ich helfen kann, dann mache ich das auch!“
Abschließend bringt Stefanie Schlink ihre Motivation auf den Punkt: „Der Schulsanitätsdienst ist eine absolut gescheite Sache. So ist noch zusätzlich jemand da, der helfen kann, bevor der Krankenwagen vor Ort ist. Das Leben kann davon abhängen, also von Leuten wie uns. Und wenn ich helfen kann, dann mache ich das auch!“